Allgemeine Infos
Ortscharakteristik und Geschichte Der Umsiedlung

Steingrimma lag rund 4 km östlich von Jaucha (heute zu Hohenmölsen) auf einem Höhenniveau von 155 bis 170 m NN. Der Ort wurde vom Tal der Grunau (auch Grunebach) durchzogen. Die Ackerflächen rund um Grunau waren außerordentlich fruchtbar. Unmittelbar südlich der Ortslage befand sich ein kleines Waldgebiet.

 

Das idyllisch gelegene Dorf bestand vorwiegend aus kleineren Bauerngehöften, einer Kirche aus dem Mittelalter, dem Friedhof und dem Gasthof »Zum Grunautal« mit Parkanlage. Letzterer wurde 1912-1973 von der Familie Gutjahr geführt und war nicht nur das kulturelle Zentrum im Dorf, sondern auch eines der beliebtesten Ausflugsorte in der Region. Das Vereinszimmer wurde zeitweilig auch für Unterrichtszwecke der Grundschule Dobergast genutzt. Die Steingrimmaer galten als sehr gesellige Leute. So veranstalteten sie regelmäßig den Rosenmontagsumzug, das Pfingstfest und das Erntedankfest – die Kirmes. Besonders aktiv waren die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr und die FDJ-Gruppe. Eine weitere Attraktion im Dorf war die Modelleisenbahn von Alfred Völker, die dieser auf seinem Grundstück baute und für die Öffentlichkeit zugänglich machte.

 

Der Einwohnerschaft war seit Jahrzehnten bewusst, dass sie eines Tages ihre Heimat verlassen muss. Dies wurde mit der Zunahme der Braunkohlenförderung im Tagebau Profen und der Devastierung der Nachbarorte Köttichau, Mutschau und Döbris in den 1960er Jahren konkreter. Als der Beschluss des Bezirkstages Halle vom Dezember 1971 zur Festlegung des »Bergbauschutzgebietes für die Tagebaue Profen-Domsen« bekannt wurde, richtete man sich auf die Umsiedlung ein.

 

Der »Steingrimmaer Kessel« mit besonders großer Flözmächtigkeit lag im Abbaufeld Profen-Süd / D 1. Der Gemeindeverwaltung von Dobergast oblag es nunmehr, im Auftrag der SED-Kreisleitung und des Rates des Kreises Hohenmölsen die Steingrimmaer über den Ablauf ihrer Umsiedlung zu informieren. Die Dorfbevölkerung nahm ihr Schicksal an, wobei die jungen Leute zumeist im Dorf blieben und auf den Einzug in moderne Wohnungen mit einem komfortableren und bequemeren Lebensstandard im Vergleich zum Leben auf dem Lande in Hohenmölsen-Nord warteten. So zogen die meisten Steingrimmaer in die Plattenbausiedlung, zumeist in den Karl-Liebknecht-Ring. Es war möglich, dass Verwandtschaften in einem Wohnblock bzw. auf einem Flur nebeneinander Wohnraum beziehen.

 

Die heute als ungerecht empfundenen Entschädigungsleistungen erfolgten analog zu Dobergast und Queisau. Aus Anlass der abgeschlossenen Umsiedlung fand Ende 1979 im Kulturhaus Deuben des BKW »Erich Weinert« eine Abschlussveranstaltung statt. Eine Ortschronik wurde nicht erarbeitet. Das Bergbauunternehmen übernahm die Abbrucharbeiten und verkaufte unter anderem Steine, Dachziegel, Holzbalken und Eisenträger an Privatleute und in die umliegenden Ortschaften.

 

Wo einst das Dorf Steingrimma stand, befinden sich heute weitläufige Ackerflächen, die im Zuge der Wiedernutzbarmachung im Tagebau Profen-Süd entstanden und auf denen 2018 Windenergieanlagen im »Energiepark Profen« aufgestellt wurden.

Ortsnamenformen

»Stein« weist auf Tongruben und einen Steinbruch in Ortsnähe hin; das wendische Wort »grim« steht für »tiefgelegenes, von Wasser und nassen Wiesen umgebenes Gelände«, wie entlang der Grunau vorhanden

 

  • 1091: Crymene
  • 1217: Arnoldus de Crmmene
  • 1378: Krymmen
  • 1399: lapifodia in Krymme, Krymen
  • 1416: Steynkrymmow
  • 1458: Steinkrymen
  • 1532: Steinkrymme
  • 1716: Steingrimme
  • 1749: Steingrimma
  • ~ 1760: Stein Grimma
  • 1824: Steingrimma
EinwohnerEntwicklung
  • ~ 1680: 21 Häuser und 1 Kirche
  • 1866: 143
  • 1910: 193
  • 1939: 195
  • 1979: 178
Meilensteine zur Ortsgeschichte
  • 1091: wendischer Ursprung; mutmaßliche Ersterwähnung (→ Kloster Pegau); erster Kirchenbau als Rundkapelle (den slawischen Rotunden Böhmens, Mährens, der Slowakei verwandt) im 11. Jh. im Auftrag von Wiprecht von Groitzsch
  • ~ 1500: Zuordnung zum kurfürstlichen Amt Pegau/Groitzsch
  • 1661: zum Herzogtum Sachsen-Weißenfels; Gerichtsbarkeit über Dorf und Flur lag beim kurfürstlichen Amt (1746 unverändert)
  • 1692: Neubau der im Dreißigjährigen Krieg zerstörten Kirche
  • 1737: prunkvolle Ausstattung mit Altar, Taufstein und Holzschnitzwerken
  • ~ 1800: Gasthof zum Grunautal mit großzügiger Parkanlage erbaut
  • ~ 1900: die ersten Kleinbauern verkaufen einen Teil ihrer Ländereien an Kohlegesellschaften
  • 1908: Verhandlung der eigenständigen Gemeinde mit der Waldauer Braunkohlen AG über die Einleitung des Grubenwassers aus »Bunge Nebe« in den Grunaubach
  • 1912: Bau erster Wasserleitung auf Kosten der Bergbaugesellschaft
  • ~1925: Bau eines Wohnhauses mit zehn Wohneinheiten, Stall- und Gartenanlage durch die Riebeckschen Montanwerke AG für ihre Angestellten
  • 1945: Kauf der ersten Gebäude durch die Riebeckschen Montanwerke AG und Umbau zu Arbeiterwohnungen
  • 1952: Zuordnung zum Landkreis Hohenmölsen und Verwaltungseinheit mit Dobergast (Sitz) und Queisau
  • 1955: Offizielles Bauverbot erlassen
  • 1977: Eingliederung der Freiwilligen Feuerwehr in die Wehr von Hohenmölsen
  • 1979: Auszug der letzten Einwohner (September)
  • 1979: Beginn der Friedhofsumbettung (Abschluss im Folgejahr)
  • 1980: Abbruch der Ortslage durch das BKK «Erich Weinert«
Zeitzeugen erinnern sich

Interview mit Siegfried Schumann

Interview mit Renate Bader

Die Informationen und Abbildungen auf dieser Seite entstammen der Quelle:
Andreas Berkner und Kulturstiftung Hohenmölsen (Hrsg.): Bergbau und Umsiedlungen im Mitteldeutschen Braunkohlenrevier, Sax-Verlag, 2022.

Das Buch kann beim SAX-Verlag Markkleeberg erworben werden, bitte klicken Sie hier…

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