Ortscharakteristik und Geschichte Der Umsiedlung

Queisau lag rund 1,5 km östlich von Steingrimma und 4 km westlich von Costewitz und Greitschütz (heute Ortsteile von Elstertrebnitz) auf einem Höhenniveau von 170-175 m NN. Die Umgebung war durch Ackerflächen mit relativ starkem Relief geprägt, die nach Osten zum Floßgraben mit der »Costewitzer Brücke« hin um ca. 20 Meter abfielen.

 

Mit dem Aufschluss des Tagebaus Profen 1941 war wohl den meisten Einwohnern bewusst, dass sie eines Tages den Baggern weichen müssen, lebten sie doch in direkter Nachbarschaft mit ihnen. Bereits Jahre zuvor verhandelten vorwiegend die Großbauern mit den Kohleunternehmern der Riebeckschen Montanwerke über Verkäufe von landwirtschaftlichen Flächen und den Bau von Infrastruktureinrichtungen für das Dorf. Nach 1945 veränderte sich die politische und wirtschaftliche Situation. Kriegsflüchtlinge und Zuwanderer wurden einquartiert. Einige Bauern flüchteten in den Westen. Die Grundstückseigentümer sanierten und reparierten ihre Häuser und Nebengebäude notdürftig. Auch die kommunalen Einrichtungen wurden nur instandgehalten. Ein Großteil der Einwohner arbeitete im Bergbau und in den landwirtschaftlichen Genossenschaften. Ende der 1960er Jahre verließen viele junge Menschen nach ihrer Ausbildung das Dorf.

 

Mit dem Beschluss des Bezirkstages Halle vom 11.12.1971, das Bergbauschutzgebiet »Profen-Domsen« für das VEB Braunkohlenkombinat »Erich Weinert« festzulegen, war das Schicksal des kleinen Dorfes endgültig besiegelt. Queisau lag mitten im vorgesehenen Braunkohleabbaugebiet.

 

Allerdings wussten die Einwohner bis dahin nicht, wann und wie die Umsiedlung ablaufen würde. Der Rat des Kreises Hohenmölsen wurde in enger Abstimmung mit der SED-Kreisleitung und dem Braunkohlenwerk »Erich Weinert« Deuben beauftragt, die Ortsverlegung vorzubereiten und durchzuführen. Queisau war der erste Ortsteil der Gemeinde Dobergast, der umgesiedelt wurde. Daraufhin entstand 1978 in Hohenmölsen Nord ein komplett neuer Stadtteil mit Wohnblocks für die Bewohner der ehemaligen Gemeinde Dobergast und für Angehörige der Nationalen Volksarmee, die in Hohenmölsen stationiert waren, mit Kindergarten, Kinderkrippe, einer Schule und dem Sportplatz, einer Kaufhalle, dem Garagenkomplex und einer Kleingartenanlage – zu dieser Zeit ein komfortables und modernes Wohngebiet und vor allem für junge Familien ein attraktiver Wohnstandort. So kam es auch, dass einige junge Leute kurzfristig wieder nach Queisau zogen, in der Erwartung auf eine neue komfortable Wohnung in Hohenmölsen Nord. Die meisten Menschen erhielten in der August-Bebel-Straße eine Wohnung. Etwa 70 % der Einwohner sind nach Hohenmölsen Nord gezogen. Einige Familien kauften sich Grundstücke oder bauten Häuser in Hohenmölsen und Umgebung. Vier Familien ließen sich im Raum Berlin-Blankenfelde nieder. Die heute als ungerecht empfundenen Entschädigungsleistungen erfolgten analog zu Dobergast und Steingrimma. Eine Ortschronik gibt es nicht.

 

Wo einst das Dorf Queisau lag, befinden sich heute weitläufige Ackerflächen, die im Zuge der Wiedernutzbarmachung im Tagebau Profen-Süd entstanden, auf denen 2018 Windenergieanlagen im »Energiepark Profen« aufgestellt wurden.

Ortsnamenformen
  • 12. Jh.: in villa Quize dicta
  • ~ 1300: Cuizde
  • 1353: Owysede
  • 1399: P. De Quisda
  • 1458: Quiside
  • 1487: Queyßen
  • 1501: Quiside
  • 1530: Queyßa
  • 1716: Queisse
  • 1749/~1760: Queisa
  • 1821: Queisau
EinwohnerEntwicklung
  • ~ 1680: 27 (Häuser und 46 Hufen Land)

  • 1821: 138

  • 1866: 175

  • 1910: 160

  • 1939: 228

  • 1979: 187

Meilensteine zur Ortsgeschichte
  • 12. Jh.: wendischer Ursprung; mutmaßliche Ersterwähnung nach Unterlagen der Klöster Pegau und Bosau/Posa
  • ~1500: Zuordnung zum kurfürstlichen Amt Pegau/Groitzsch
  • ~1600: Einpfarrung nach Grunau
  • 1726: Antrag der Einwohner auf Auspfarrung aus Grunau und Einpfarrung nach Dobergast (erst 1854 umgesetzt)
  • 1829: Erwähnung einer Wanderschule
  • 1899: Gemeinde beschließt den Bau eines Spritzenhauses und die Anschaffung einer Feuerspritze
  • 1906: Ausbau der Wegeverbindung von Dobergast, Steingrimma und Köttichau zur Kreisstraße
  • 1907: erste Landverkäufe von Bauern an die Kohlegesellschaften
  • 1912: Bau der ersten Wasserleitung von Thierbach nach Queisau auf Kosten der Bergbaugesellschaft
  • 1946: Entnazifizierung; mehrere Großbauern mit Inhaftierung über mehrere Jahre betroffen
  • 1950: Überbaggerung der alten Straße zwischen Queisau und Profen mit Ersatz vom Bergbauunternehmen
  • 1954: Verhängung eines offiziellen Bauverbots (1955 bestätigt)
  • 1957: Eröffnung einer Bäuerlichen Handelsgenossenschaft (BHG) mit Bankstelle
  • 1969: Neubau eines Feuerwehrgerätehauses mit Kulturraum für alle Einwohner
  • 1978: Schließung der Konsumverkaufsstelle; Umsiedlungsvorbereitung ohne Festlegung eines genauen Termins
  • 1979: Auszug der letzten Einwohner (Familie Pfauter, zog nach Trebnitz)
Zeitzeugen erinnern sich

Interview mit Siegfried Schumann

Interview mit Renate Bader

Die Informationen und Abbildungen auf dieser Seite entstammen der Quelle:
Andreas Berkner und Kulturstiftung Hohenmölsen (Hrsg.): Bergbau und Umsiedlungen im Mitteldeutschen Braunkohlenrevier, Sax-Verlag, 2022.

Das Buch kann beim SAX-Verlag Markkleeberg erworben werden, bitte klicken Sie hier…

 
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