Ortscharakteristik und Geschichte Der Umsiedlung

Dobergast lag rund 6 km südsüdwestlich von Pegau und rund 5 km östlich von Hohenmölsen auf einem Höhenniveau von 171–175 m NN. Nach Osten erstreckte sich ein weitläufiges Ackerflächenplateau in Richtung Floßgraben, der in etwa 2 km Entfernung zugleich die Landesgrenze nach Sachsen markierte. Unmittelbar westlich der Ortslage befand sich das »Holz«.

 

Anfang der 1930er Jahre kamen die ersten Gerüchte zu einer bergbaubedingten Umsiedlung auf, Diese verstärkten sich Mitte der 1950er Jahre, nachdem die Nachbarorte Mutschau, Köttichau und Döbris in Anspruch genommen worden waren. Deshalb sanierten und reparierten die Grundstückseigentümer ihre Häuser und Nebengebäude nur notdürftig. Auch die kommunalen Einrichtungen wurden nur instandgehalten.

 

Seit 1920 gab es keine privaten Neubauten mehr. Ein Großteil der Einwohner arbeitete nach 1945 im Bergbauunternehmen und in den landwirtschaftlichen Genossenschaften. Das soziale, kulturelle und sportliche Dorfleben wurde durch einem aktiven Dorfklub, die Kirchgemeinde und die erfolgreiche Tischtennissektion geprägt. Noch heute sind ehemalige Dobergaster Tischtennisakteure aktiv und bundesweit anerkannt.

 

1971 beschloss der Bezirkstag Halle das Bergbauschutzgebiet »Profen-Domsen« für das VEB Braunkohlenkombinat »Erich Weinert« mit Sitz in Deuben. Das Schutzgebiet hatte eine Größe von 4.191 ha und umfasste auch die Ortschaften Queisau, Steingrimma und Dobergast. Zwischen Gemeinde und Kombinat bestanden pragmatische Bindungen.

 

So wurden ab 1973 gemeindliche, kulturelle und soziale Dienstleistungen durch Kommunalverträge geregelt. Dies erfolgte bereits im Vorgriff auf die Umsiedlung, für die es zunächst noch keinen Zeitplan gab. Ende 1970 entstand in Hohenmölsen Nord ein komplett neuer Stadtteil vorwiegend für die Umsiedlungen von Queisau, Steingrimma und Dobergast, aber auch für die Bediensteten der Nationalen Volksarmee, die in Hohenmölsen stationiert waren. 105 Haushalte erhielten in der Plattenbausiedlung, vorrangig in der Otto-Nuschke-Straße, eine der in dieser Zeit komfortabelsten Wohnungen, ausgestattet mit Zentralheizung und Warmwasserversorgung sowie moderatem Mietzins. Die Wohnungsgrößen wurden nach der Anzahl der Familienmitglieder bemessen (1- bis 4-Raum-Wohnungen). Es gab auch »Ringtausche«, bei denen Dobergaster, die nicht nach Hohenmölsen umziehen wollten, ihre zugewiesenen Quartiere mit Leuten aus Nachbardörfern tauschten. Einige Einwohner bauten innerhalb und außerhalb von Hohenmölsen neu.

 

Am 18.06.1983 fand die »Abschlussveranstaltung« im Kulturhaus Profen des BKW »Erich Weinert« Deuben statt. Eingeladen hatten der ehemalige Bürgermeister und die ortsansässigen Parteifunktionäre der SED. Nach Angaben der betroffenen Umsiedler waren jedoch nur wenige Einwohner anwesend. Der Betrieb verzichtete wohl bewusst darauf, eine Ortschronik in Auftrag zu geben, so wie es bei den Umsiedlungen von Pirkau, Mutschau, Köttichau und Döbris erfolgte.

 

Die soziale und kulturelle Geschichte der Menschen, die den Kohlebaggern weichen mussten, fand damit keine Würdigung. Entschädigungsleistungen erfolgten auf der Grundlage des Berggesetzes der DDR von 1969. Den Grundeigentümern wurde nach einer Verkehrswertermittlung der Verkaufspreis notariell in voller Höhe bestätigt.

Jedoch wurde in den Kaufverträgen festgelegt, dass erst im ersten Monat nach der Eigentumsübertragung an das Bergbauunternehmen 3.000 DDR-Mark auszuzahlen waren. Die restliche Summe wurde in Jahresscheiben je zu 3.000 Mark an die im Grundbuch urkundlich benannten Personen gezahlt. Über Mieterentschädigung ist nichts bekannt. Bis heute empfinden die ehemaligen Dobergaster diese Entschädigungspraxis als ungerecht.

 

Ortsnamenformen
  • 1166: Dobergast

  • 1266: Dobirgast

  • 1300: Dobergost (um 1300)

  • 1378: Dobirgast (→ 1428)

  • 1532: Dobergast (→ 1716/1749/~1760)

  • 1814: Dobergast, Dobrigast

  • 1870: Dobergast

EinwohnerEntwicklung
  • 1815: 320

  • 1866: 212

  • 1890: 219

  • 1910: 265

  • 1939: 251

  • 1982: 210

Meilensteine zur Ortsgeschichte

1166: Ersterwähnung

~1500: Zuordnung zum kurfürstlichen Amt Pegau/Groitzsch

1550: erste Schulerwähnung

1815: Zuordnung zum Königreich Preußen

1866: Einweihung der in neoromanischem Stil neu errichteten Kirche

1913: Bau der ersten Wasserleitung auf Kosten der Bergbaugesellschaft

1942: vertragliche Vereinbarungen zwischen Gemeinde und Anhaltischen Kohlewerken zur Inanspruchnahme von Gemeindeflächen für den Bau von technische Anlagen zur Kohleförderung mit Entschädigungsleistungen (Februar)

1952: Zuordnung zum Landkreis Hohenmölsen, Bildung der Gemeinde Dobergast mit Ortsteilen Steingrimma und Queisau

1954: Verhängung eines offiziellen Bauverbots über das Dorf

1968: Grundschule wird geschlossen; alle Kinder der Klassenstufen 1–10 aus Dobergast, Queisau und Steingrimma besuchen von da an die Polytechnische Oberschule Großgrimma

1971: Beschluss des Bezirkstages Halle zum Bergbauschutzgebiet für den Tagebau Profen/Domsen (11.12.)

1977: Eingliederung der Freiwilligen Feuerwehr in die Wehr Hohenmölsen

1979: Umzug der ersten Mieter nach Hohenmölsen Nord

1981: beginnende Abbrucharbeiten und Verlegung des Friedhofs

1984: Auszug der letzten Einwohner und Abschluss der Umsiedlung

Zeitzeugen erinnern sich

Interview mit Siegfried Schumann

Interview mit Renate Bader

Die Informationen und Abbildungen auf dieser Seite entstammen der Quelle:
Andreas Berkner und Kulturstiftung Hohenmölsen (Hrsg.): Bergbau und Umsiedlungen im Mitteldeutschen Braunkohlenrevier, Sax-Verlag, 2022.

Das Buch kann beim SAX-Verlag Markkleeberg erworben werden, bitte klicken Sie hier…

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